LIVING PEOPLE - page 7

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Die Begegnung findet statt in einem dämmerigen Raum. Grünes Licht fällt durch ein schmales Fenster aus einem feuchten,
herbstlichen Garten. Schon möglich, daß hier immer Herbst ist, eine gute Jahreszeit für das Verschwinden, zumindest für ein
Dasein in der Schwebe. An der Wand rechts ein Glasschrank mit weiteren Figuren, daneben ein hölzerner Paravent für Auftritte.
Den Rest des Raumes nehmen verschieden hohe Postamente ein, auf denen die Akteure stehen, den Blick neugierig, skeptisch oder
unverhohlen ablehnend auf den Fremden gerichtet, der eingetreten ist.
Da ist die pausbäckige Metzgerstochter, fest eingewickelt in einen Schal, als wäre sie verkühlt. Da ist die Wahrsagerin, mit ihren roten
Haaren ein dominantes Wesen, das nur darauf wartet, das Vergangene weiszusagen. Ganz anders das schüchterne Blumenkind,
dem die Blütenblätter noch den Mund verschließen. Da ist der Hanfmann, schlicht gekleidet wie ein Kapuzinermönch. Im Gegensatz
dazu der Geldmann, von dem es heißt, daß er glücklich sei, und der spöttisch lächelnd auf die Welt herabblickt. Da ist die Ewige
Braut, ein zerknittertes Weiblein, dem das Warten ins Gesicht geschrieben steht; aber immer noch hofft sie. Da ist die Mäzenin, eine
offenbar reiche, aber irgendwie verhärmte Dame. Da ist der Elfenfürst, eine schlanke, wenn nicht gar hagere Gestalt, so gar nicht
Fürst, mehr melancholischer Philosoph. Der Troll? Grüngesichtiges Wesen aus dem Dunkel einer undurchsichtigen Gegenwelt.
Und über allen thronend, mit seinem blau-grün ornamentierten Gesicht die Szenerie dominierend, der Wassermann und Dichter.
Der Fremde verneigt sich höflich und stellt sich vor. Er wolle über die werten Damen und Herren schreiben. Deshalb sei er
gekommen und bitte um ein paar Auskünfte.
Schweigen. Keine Bewegung, nicht einmal die geringste Veränderung einer Miene.
Dann, leise, fast flüsternd, die rothaarige Wahrsagerin: Was er wissen wolle.
Nun, wer die Herrschaften seien, habe er schon auf den Täfelchen gelesen. Aber woher sie kämen, würde er gerne wissen.
- Wir waren schon immer. (Die sonore Stimme des Elfenfürsten.)
- Schon immer? Aber es kommen doch stets auch Neue hinzu; das heißt doch...
- Papperlapapp! – Das Gesicht des Trolls läuft dunkelgrün an. – Wir sind; das muß genügen.
- Aber wir sind nicht immer dieselben. – Der Hanfmann hebt den Kopf, neigt ihn ein wenig. Auf einmal wird sein Gesicht hart,
steinern, verliert jede Demut. – Schaun Sie nur genau hin.
- Aber ... woraus sind Sie dann? Aus Holz wohl nicht?
Gelächter.
- Nein, aus Holz wären wir zu schwer. (Die Metzgerstochter, ganz Sanftmut und Bescheidenheit.)
- Aus Ton vielleicht?
Kopfschütteln, Gemurmel.
- Wir lassen uns in keinen Ofen stecken. (Die entrüstete Ewige Braut.)
- Aus Pappmaché?
Empörtes Raunen.
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