LIVING PEOPLE - page 23

23
Diese Worte schmerzten die gute Frau tief
in ihrem Innersten. Und es war ihr gerade
so, als würde ihr eigenes Herz herausgeris-
sen, wenn sie die kleine Pflanze einfach so
wegwerfen würde.
Es wurde Herbst, es wurde Spätherbst.
Bevor der kalte Nordwind ihrem Liebling
schaden konnte, holte die Frau, die sich so
auf ein Kind freute, ihren Liebling ins Haus.
Sie stellte den Blumentopf ans Fensterbrett
und buk für sich und ihren Schützling Brote
mit Rosinen und Nüssen.
Das Warten auf das Aufblühen der Blume
wurde ihr schwer in den langen Wintermo-
naten. Und schwer und müde fühlte
sie sich selbst.
*
Als die gute Frau eines Morgen erwachte,
war es taghell in der Stube.
Da hörte sie ein feines Stimmchen singen.
Was ist das? dachte die Frau, bin ich denn
nun gestorben?
Aber sie fühlte sich so jung und lebendig wie
schon lange nicht mehr!
Rasch sprang sie aus dem Bett und lief, die
feine Sängerin zu suchen.
Und da war es – das Blumenkind!
Ihr Blumenkind!
Lugte neugierig aus den Blütenblättern und
sang sein erstes Lied.
Die Frau meinte, ihr Herz müsste sprin-
gen – so weh tat es ihr vor Freude. Und
sie weinte und lachte und stimmte in den
Gesang mit ein.
Ja, so ist es wirklich gewesen, das könnt Ihr
ruhig glauben.
1...,13,14,15,16,17,18,19,20,21,22 24,25,26,27,28,29,30,31,32,33,...64
Powered by FlippingBook