LIVING PEOPLE - page 5

Auf der Suche nach dem Wesen der Menschen –
Susanna Andreini und ihr Weltspiegel in Figuren
Im Atelier:
„Unheimlich!“
„Warum?“
„Weil es keine Dinge sind“
Dieser kurze Dialog zwischen Susanna Andreini und mir konzentriert etwas im Werk der Künstlerin. Gehen wir daher in diesem
Text davon aus, dass sie keine Dinge, sondern Wesen-haftes produziert. Es interessiert also zuerst das Wesen, nicht die Form.
Man erkennt Susanna Andreini durch ihre Figuren, findet sie in ihren Figuren – nicht weil sie ihnen äußerlich ähnlich wäre,
sondern, weil diese uns ihre Sicht auf die Menschen zeigen. So gibt sie Einblick in unsere Welten.
Susanna Andreini liebt ihre Schöpfungen so, wie sie wohl auch die Menschen lieben kann – sie hat ein persönliches Nahever-
hältnis zu den Figuren. Das ist für Manche unvorstellbar und doch in nahezu jeder Biografie als Kindheitserinnerung gegenwärtig:
Der Bär oder die Puppe waren nicht nur Bär oder Puppe, sondern höchst individualisierte Wesen in unserer kindlichen Weltord-
nung. Aber hier sind wir weit über die Welt des kindlichen Spiels hinaus gewachsen und die Figuren werden zur Reflexionsfläche
für das Selbst.
Im Gespräch zieht Susanna Andreini rasch, fast verlegen, einen semitransparenten Vorhang vor den großen Spiegel im
Probenraum. Beim Sprechen möchte sie sich selbst nicht sehen – und doch überrascht und entdeckt sie sich selbst immer wieder
als Spiegelung in ihren eigenen figürlichen Geschöpfen.
Jede ihrer Kreationen ist dennoch der Versuch eines unvoreingenommenen Blicks auf die Welt – und auf sich selbst – was wohl
als die schwierigere Übung gelten darf. “Ich will etwas aus dem (Menschen)Leben spiegeln“.
Die Figuren sind oft komisch, seltsam, traurig, schaurig, aber sie stehen vor uns würdevoll und achtbar. Susanna Andreini schafft
mit ihrer Gestaltung und Darstellung für uns die Möglichkeit eines liebevollen Zugangs zu menschlichen Eigenschaften, die uns
auf den ersten Blick wenig liebenswert erscheinen. Das tut sie nicht naiv sondern im besten Sinn des Wortes unschuldig, jenseits
der Niedlichkeit.
Spielerisch und oft humorvoll werden „Momente aus dem Leben der Menschen“ von Susanna Andreini in Figuration transfor-
miert. Wenn dieses Gebilde berührt, sagt sie: „Die Figur funktioniert“.
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